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Rezension:Fellinis Casanova (DVD)

Wer war Casanova?

Der in Venedig geborene Schriftsteller und Abenteuer Giacomo Casanova (1725-1798) führte nach seinem Theologie- und Jurastudium in Padua ein Wanderleben, bereiste als Diplomat ganz Europa und stand in Verbindung mit vielen bedeutenden Persönlichkeiten, wie Voltaire und Friedrich dem Großen. Er wurde 1755 in Venedig wegen Atheismus eingekerkert aber es gelang ihm die Flucht aus den Bleikammern. Ab 1785 war er Bibliothekar des Grafen Waldstein auf Schloss Dux in Böhmen. Dort schrieb er seine sechsbändigen Memoiren in französischer Sprache. "Histoire de ma vie". Die Memoiren gehören zu den kulturgeschichtlich bedeutendsten Quellenwerken des 18. Jahrhunderts, nicht zuletzt weil Casanova ein ausgezeichneter Beobachter und Menschenkenner war und großes Erzähltalent besaß. Er hinterließ neben einem utopischen Roman auch historische, mathematische und satirische Schriften. Legendär war er als galanter Liebhaber in der galanten Zeit des Rokoko.
Wie kein zweiter vermochte er Frauen zu amüsieren und sie durch seinen unnachahmlichen Charme zu verführen.

Der Regisseur Fellini verfremdet die Figur des Frauenverführers aus Venedig im vorliegenden Film in einer Weise, dass von ihm am Ende nur noch die Karikatur eines überanstrengten Rammlers übrig bleibt.
Casanovas Bemühungen als Intellektueller beachtet zu werden fruchten nicht. Meines Erachtens ist es nicht Fellinis Absicht Casanova (Donald Sutherland) auf die Rolle eines Sexbesessenen festzulegen, sondern er möchte zeigen, dass viele Leute in den letzten Jahrhunderten bloß ihre Wünsche auf ihn projizierten und am Ende der Name dieses Mannes gleichbedeutend war mit dem eines Zuchtbullen. Mit dieser Vorstellung räumt Fellini auf und amüsiert sich auf Kosten dieses Urbildes des "Latin Lovers".


Man sieht Casanova beim fiktiven Beischlaf, sich ewig abmühend und beinahe kollabierend pausenlos "amore, amore" röcheln. Man kann ihn dabei beobachten, wie er eine nackte Riesin beim Baden in der Wanne beäugt. Die Riesin singt ein trauriges Volkslied. Zwei Liliputaner baden mit ihr in besagter Wanne und bestaunen während ihres schrillen Gesangs ihre gewaltigen, nackten Brüste. Casanova ist überwältigt von dieser Über-Mutter, durch die sexuelle Wünsche bei ihm freilich mental außer Kraft gesetzt werden.


Er nimmt in diesem Film an einem Wettkampf teil, wo es darum geht festzustellen, wer die stärkste Promiskuität besitzt. Er schafft es auf sieben Orgasmen, nachdem er zuvor unzählige rohe Eier verspeist hat. Die Frau, an der er sich abturnt, zeigt allerdings keinerlei Regung. Ein solcher Liebhaber ist alles andere als begehrenswert. Für Casanova sind die Frauen ein Mysterium. Er findet generell keinen emotionalen Zugang zu ihnen. Ihm bleibt immer nur die Penetration. So treibt ihn die Sehnsucht von einer Frau zur nächsten. Fellinis Casanova ist ein armer, unter sexuellem Leistungsdruck stehender Teufel, den man als Frau nicht Ernst nehmen kann.

Das hier visualisierte Rokoko- Zeitalter ist an Verkünstelung nicht zu überbieten. Die Kostüme und die Raumausstattung sind mehr als nur beachtlich. Der gesamte Film erscheint wie ein Bühnenstück. Eine Reihe von Requisiten wird als darstellerisches Surrogat eingesetzt. Die Musik ist gewöhnungsbedürftig, aber sie passt zu dieser surrealen Inszenierung.

Ich habe bereits diverse Casanova-Verfilmungen gesehen. Die witzigste war jene, die den alternden Casanova zum Thema hat, von Delon hervorragend gemimt. Optisch kommt Donald Sutherland Casanova am nächsten. Er spielt die komplizierte Filmrolle wirklich exzellent.

Als sexuelle Frauenfantasie kann Fellinis Casanova nicht herhalten. Von einem solchen Mann kann man nicht träumen. Das ist ganz unmöglich.

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